Mittwoch, 17. November 2010

Funkenlos

Ich fühlte das Gras unter meinen Beinen und die harte Rinde an meinem Rücken. Und ich fühlte das Seil, das sich wie eine Schlange um meine Handgelenke wand. Mit jeder Bewegung meiner Hände drückte die Schlange mehr zu, bis die Hände schließlich schlaff herab hingen.

Das Messer flog an mir vorbei. Ich konnte es nicht sehen - meine Augen waren geschlossen - aber sehr wohl an mir vorbei rauschen hören. Und noch eines. Und noch eines.
Dann hörte ich kurz Stille und dann ein merkwürdig fremdes und doch vertrautes Geräusch. Das Klatschen von Händen. Die Fremden freuten sich, dass ich noch lebte. Ich wüsste nicht, ob ich andersherum ebenso in einen Freudentaumel gefallen wäre und eine Fremde noch dazu in herutergekommener Kleidung bejubelt hätte, dass sie einfach nur an einem Baum lehnte.
Wir blieben über Nacht und meine Wünsche wurden erhört. Eigentlich war es nur einer.
Ich durfte in einem Bett schlafen. Eigentlich war es kein Bett sondern ein Strohsack, aber es war auch kein harter Boden unter freiem Himmel.
Die beiden Wirte waren nett. Es war ihre Tochter, die uns ein paar Münzen brachte. Im Namen des Dorfes. Unser kleiner Auftritt hatte ihnen gefallen und sie würden sich morgen auf einen zweiten freuen. Deron freute sich über die Worte und ich mich über das Geld und beide lächelten wir und genossen den Augenblick.

"Vela, du bist das einzige Mädchen das ich kenne, dass in einer solchen Situation noch lachen kann." Deron hockte etwas weiter vor mir und versuchte in einem Kreis von Steinen ein Lagerfeuer zu entfachen. Es gelang ihm nicht. Der Funke wollte nicht über springen.

Samstag, 13. November 2010

Ruinen von Wolkenstein

"Ich kann nicht." Meine Arme hatte ich vor der Brust verschränkt, um meinen Worten Ausdruck zu verleihen. "Du musst." Deron packte mich am Ellenbogen und setzte sich in Bewegung. Ich blieb stehen, jedenfalls wollte ich das. Leider muss ich zugeben, dass er doch mehr Kraft in den Armen hat als ich in den Beinen. "Ich werde nicht mit dir gehen. Ich bin hier nicht allein."
Ich dachte an Ganndor, der wahrscheinlich noch am Feuer schlafen würde und lächelte.
"Ich weiß. Der Grauzopf hält dir ein Plätzchen am Feuer frei." Derons Blick fiel bitterböse auf mich herab. "Sehr recht. Ich habe schon genug Zeit mit dir verschwendet." Ich drehte mich um und setzte entschlossen einen Fuß vor den anderen. Deron gab nach und ließ mich ein paar Schritte gehen, ehe er mich wieder zu sich zog.
"Vela ich wäre nicht hier, wäre es nicht so wichtig." Sein Ton fiel nun leise und verschwörerisch in mein Ohr.
"Wenn ich mit dir gehe, bin ich nicht besser als du, Deron."
"Du warst nie besser als ich."
"Was soll das heißen?"
"Jeder bekommt, was er verdient, Vela."
Er legte einen Arm um meinen Hals, presste seine Hand auf meinen Mund und schob mich mit aller Kraft davon. Weg vom Feuer, dass noch in der Ferne zu sehen war, weg von Ganndor und mit jedem Schritt weg von mir selbst.
Meine Mauern würden langsam in sich zusammen brechen.
Aber Deron brach nichts, um etwas zu befreien, Deron brach nur noch, um Ruinen zu hinterlassen.

Dienstag, 2. November 2010

Keine Frage

Er hatte es also geschafft. Ich hatte mich umgedreht. Aber zu ihm zurückgehen würde ich nicht. Ich straffte die Schultern und reckte mein Kinn vor.
"Woher weißt du von Shari'fal?" Die Hände hatte ich in die Hüften gestemmt.
"Du hast doch wohl nicht vergessen, dass es mein Schwert ist, oder?" Sein Tonfall war nun weniger besorgt. Er klang vielmehr streitsüchtig. "Du weißt was ich meine, Deron. Ich möchte wissen, woher du weißt, dass ich es holen wollte."
Er grinste verschlagen. "Meinst du, ich habe nicht auch schon längst danach gesucht?"
"Beantworte meine Fragen doch nicht immer mit Gegenfragen, verflucht nochmal!"
"Hexe!"
"Halt die Klappe, Deron."
Dann schwiegen wir eine Weile und mit uns die toten Äste und Steine.
"Es scheint so, als seist nicht nur du zu spät dran, Vela von Wolkenstein."
"Wer hat Shari'fal denn dann? Ich meine, wer außer uns wusste denn überhaupt..."
Noch während ich sprach, merkte ich, dass es keine Frage war, die ich da stellte. Noch während ich sprach wusste ich bereits die Antwort.

Montag, 1. November 2010

Bittersüß

Deron zog mich ein Stück mit sich, seine Hand umfasste mit festem Griff mein Handgelenk. Ich stolperte hinter ihm her, bis er schließlich stehenblieb, mich herumriss und gegen einen Baumstamm drückte. Seine Hände ruhten auf meinen Schultern und seine Augen blickten starr in meine.
"Warum bist du hier?" fragte er. Er entlockte mir damit ein bitteres Auflachen.
"Warum ich hier bin? Die Frage ist: Warum bist DU hier?" Ich spuckte ihm die Worte entgegen, ich war angespannt und Derons griff wurde eiserner.
"Um dich zu retten", entgegnete er und wieder musste ich lachen.
"Dann wärst du besser nie gegangen." Ich schüttelte ihn von mir ab wie eine lästige Fliege und stapfte zurück in die Richtung aus der ich gekommen war. Ich war fest entschlossen entschlossen zu sein oder zumindest so zu wirken, als er mir etwas hinterher rief.
"Shari'fal ist fort, Vela. Du bist zu spät." Ich blieb augenblicklich stehen. Meine Schultern hingen schlaff hinunter und Tränen brannten in meinen Augen. Tränen, die hinausgelassen werden wollten und zurückgehalten werden mussten.