Samstag, 31. Januar 2009

Stephan Tolnair

Die Tolnairs waren reizende Gastgeber. Den Grund des Balls habe ich nur bis heute nicht verstanden. Mir ist an dem Abend wahrlich nichts aufgefallen, was an Stephan Tolnair feiernswert gewesen wäre.
Sein Aussehen war sehr durchschnittlich, ebenso wie sein Humor, sein Auftreten, seine Ausstrahlung und sein Intellekt.
Überhaupt fiel mir niemand auf, der aus der Menge herausstach.
Ich spürte die Blicke der jungen Männer auf mir liegen und fühlte mich mal mehr und mal weniger wohl dabei.
Einige forderten zum Tanze auf. Ich ließ es über mich ergehen und fragte mich insgeheim, warum dieses Gehabe unbedingt nötig war.
Ich sehnte mich zurück nach meinen Büchern. Nach einem Ort, wo ich wieder ich selbst sein konnte. Und nach dem Moment, aus der Kutsche auszusteigen.
Doch bis es soweit war, sah ich noch einige Male, wie meine Mutter erst einen Blick zu mir und dann zu Stephan warf, ehe sie sich angeregt mit Frau Tolnair zu unterhalten begann.

Freitag, 30. Januar 2009

Vor dem Fest

Dank meiner Mutter ließ diese Gelegenheit auch nicht lange auf sich warten. Sie hielt immer noch die Kontakte aufrecht, die mein Vater damals mühevoll geknüpft hatte. Auch wenn es für sie mehr eine Art Geschäft war, denn reine Nächstenliebe.
Das Ehepaar Tolnair gab ein Fest zu Ehren seines Sohnes. Die von Wolkensteins waren ebenfalls eingeladen.
Ich überließ meiner Mutter die Pflichten des Gastes. Es war an ihr ein kleines Geschenk zu besorgen, das wir den Gastgebern überreichen konnten.
Ich war mit dem Tragen meines Kleides genügend beschäftigt.
Als die Kutsche vor unserer Tür hielt um uns abzuholen und ich hinaus trat, trafen sich Derons und mein Blick.
Er hielt die beiden Kutschpferde am Zügel, während Marilla die Kutsche erklomm und meiner Mutter hinauf half. Ich konnte mich kaum mehr bewegen.
Erst der harsche Ton meiner Mutter holte mich hinauf in die Kutsche.
Aber seine Augen hielten mich noch immer gefangen, als wir schon längst abgefahren waren.

Donnerstag, 29. Januar 2009

Ablenkung

Ich denke oft an die drei Karten, die Marilla mir damals vor so vielen Jahren legte. Ob mit dem Magier wohl Kerntan gemeint war?
Manchmal gab mir Kerntan eines seiner Bücher mit, welches ich dann in meinem Zimmer studierte. Mir unverständliches schrieb ich auf einem Pergament nieder und brachte es zu unserem nächsten Treffen mit.
Ich beschäftigte mich gerade mit einem solchen Buch, als Marilla beschloss ich würde mit der Lernerei einen zu ungesunden Ehrgeiz entwickeln.
Sie hielt es für falsch, dass ich mich nur mit Büchern beschäftigte, wo es auf dieser Welt schließlich auch noch Menschen geben würde.
Irgendwann gab ich ihr nach. Marilla hatte sich gut überlegt, womit sie mich am besten ablenken könnte. Denn neben der Magie hatte ich noch eine große Leidenschaft.
Schöne Kleider.
Gemeinsam suchten wir eine Schneiderin in Lordaeron auf. Ihr guter Ruf war bekannt, so dass ich die Kosten guten Gewissens tragen konnte.
Mein Kleid bestand aus rotem Magiestoff, der an meiner Haut hinabfloss. Das Kleid war eng geschnitten und betonte die Figur, jedoch verriet es auch nicht zu viel. Es war einem Ball durchaus angemessen.
Nun brauchte ich nur noch eine Gelegenheit es anzuziehen.

Mittwoch, 28. Januar 2009

Theorie und Praxis

Marilla riet mir, nicht unbedingt jeden wissen zu lassen, dass ich mit Magie gesegnet war. Es könnte Dinge unnötig verkomplizieren. Sie brachte mir bei, Magie nur im Notfall einzusetzen und den Lauf der Natur zu berücksichtigen. So kam es, dass ich die Magie in der Praxis nicht oft benutzte.
Meinen Lehrer sah ich seit unserem Treffen zweimal in der Woche. Marilla richtete es mit ihren Besorgungen auf dem Markt so ein, dass sie mich auf dem Hinweg dort absetzte und auf dem Rückweg wieder einsammelte.
Das brodelnde Wasser, was mich damals so sehr ins Staunen versetze, war nichts im Gegensatz zu dem, was mir der alte Mann sonst noch beibrachte.
Wenn man sich die Leylinien zu nutzen machen weiß, stehen einem ganz neue Welten offen.
Es war nur eine Frage des Lernens.
Ich lernte gern. Und ich lernte viel.

Dienstag, 27. Januar 2009

Der alte Mann und das Wasser

Der Mann, zu dem Marilla mich im Laufe der Woche brachte, war schon sehr alt.
Die wenigen Haare, die ihm noch geblieben waren, waren grau. Seine Augen waren blau und sie funkelten stets, wenn sie Dinge betrachteten. Sie waren geradezu lebendig.
Er trug immer wenn ich ihn sah sehr feine Kleidung. Meistens eine dunkle Robe mit besticktem Saum. Unmittelbar in seiner Nähe befand sich stets sein Stab.
Er war ein Magier.
Marilla hatte ihn wohl von ihrer Entdeckung bezüglich meiner Hände unterrichtet, denn er wusste bereits alles von mir.
Er ließ sich an seinem Tisch nieder und bedeutete mir mit einer Handbewegung ihm gegenüber Platz zu nehmen.
Auf dem Tisch stand ein Glas Wasser. Er hob seine rechte Hand und murmelte etwas in seinen Bart.
Das Wasser begann zu brodeln.

Sonntag, 25. Januar 2009

Neue Schritte

Irgendetwas beunruhigte Marilla. Dass es meine heißen Hände waren, verstand ich zunächst nicht.
Als wir zu Hause ankamen und ich mich in mein Zimmer zurückzog, hörte ich ihre Schritte. Sie ging den Flur unruhig auf und ab. Man hörte eine Tür auf- und gleich wieder zugehen. Dann hörte man nichts mehr.
Ich stickte meine Initialen auf ein Taschentuch, während meine Gedanken unentwegt um Marilla und meine Hände kreisten.
Wieder die Tür. Auf. Zu. Schritte auf der Treppe. Klopfen.
Marilla ließ sich auf meinem Bett nieder, klopfte mit ihrer rechten Hand sacht auf den Platz neben sich und lächelte mich an.
Kurz darauf saß ich neben ihr. Sie griff meine Hände und sah auf sie hinab.
„Vela, in dir ist Magie. Ich spüre es ganz deutlich.“
Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Mein Mund war wie verschlossen.
Langsam entzog ich Marilla meine Hände und ballte sie zu Fäusten.

Freitag, 23. Januar 2009

Beim Licht

Es war ein Tag wie jeder andere, irgendwann im Herbst des elften Jahres nach der Portalöffnung. Ich begleitete Marilla auf den Markt. Nun nicht mehr als Kind, auf dass sie acht zu geben hatte, sondern als Begleitung. Wir redeten mal viel und mal wenig. Manchmal lernte ich noch von ihr, wie sie bestimmte Waren aussuchte.
Manchmal griff sie nach meinem Arm oder strich mit ihrer Hand über meine Wange, wie sie es schon immer getan hatte.
Wir ließen uns Zeit auf dem Weg nach Hause, um die Ruhe zu genießen. Wir waren keinen Zwängen erlegen, wir waren unser eigener Herr.
Vor einiger Zeit hatte Marilla damit begonnen mein dunkles Haar hochzustecken. Ich gefiel mir damit und anfangs hielt ich an jeder Pfütze, um mein Antlitz zu betrachten. Es war ungewohnt nicht mehr hin und wieder nach einer Haarsträhne zu greifen, die sich wie selbstverständlich um meinen Finger wickeln konnte.
Manchmal hakte ich mich bei Marilla unter, manchmal gingen wir hintereinander und blieben jeder für sich.
An jenem Tag, damals im Herbst, der wie jeder andere war, griff Marilla nach meiner Hand.
Ich ließ meine wie selbstverständlich in ihre gleiten.
Sie verharrte in ihrer Bewegung. "Beim Licht," sagte sie, "hast du heiße Hände!"

Mittwoch, 21. Januar 2009

Nachkriegszeit

Derons Vater kam mit einem Arm weniger aus dem Krieg zurück. Folglich war es Deron, der unter Anleitung seines Vaters die Schmiedearbeiten übernahm.
Deron arbeitete viel und als der Alltag zu uns zurück kehrte, war es mir sowieso untersagt, mich mit den Bediensteten abzugeben.
Meine Mutter achtete nach wie vor auf den guten Ruf der Familie von Wolkenstein und so hielt sie es für ihre Aufgabe mir die Handarbeiten beizubringen, wie es für Töchter aus gutem Hause üblich war. Ich stellte mich recht geschickt an und mit den Jahren die vergingen, war es mir möglich feine Muster in Tücher und später auch auf Roben zu nähen.
Die Gegenwart hatte ihren Griff fest um mich gelegt und so wurde Deron eine traurige Erinnerung, verbunden mit den Gedanken an den Zweiten Krieg.
Während ich mich schon damals sehr erwachsen gefühlt hatte, wurde es nun auch mein Körper.

Aber noch etwas geschah mit mir.

Dienstag, 20. Januar 2009

Der Kampf am See

Es dauerte nicht lange, da war es selbstverständlich, dass wir nebeneinander am kleinen See saßen. Zwischen uns lag ein stummes Einverständnis. Manchmal hatte er ein Stück Holz dabei, dass er mit seinem Messer bearbeitete. Ich saß einfach nur da und träumte. Irgendwann stand er auf und ging wieder. Ich einige Momente später. Nie zusammen.
Der Krieg lastete schwer auf unseren Schultern, auch wenn wir nie in Kämpfe verwickelt wurden. Unser Kampf herrschte woanders. In unserem Inneren.
Ich wurde so viel älter in diesem Jahr des Krieges, als ich es danach noch wurde.

Und irgendwann war es einfach vorbei.
Der Krieg und das Sitzen am kleinen See.