Samstag, 27. Dezember 2008

Begegnungen

Nachdem ich mich nun nicht mehr damit ablenken konnte aus dem Fenster zu sehen, beschloss ich, mich wieder nach draußen zu trauen. Ich ging zwar nie weit von unserem Hause fort, aber ich atmete die frische Luft nicht durch ein geöffnetes Fenster.
Ich hatte einen kleinen See entdeckt, der so unbedeutend war, dass niemand sonst sich die Mühe zu machen schien ihn aufzusuchen. Er war so unbedeutend, dass er mir immer nur als "Kleiner See" in Erinnerung blieb - obwohl er sicher einen schöneren Namen verdient hätte.
Ein paar mal begleitete Marilla mich, aber die meiste Zeit blieb ich allein, vorerst.
Ich legte viel Wert darauf, dass Deron genau wusste, welchen Weg ich einschlug und es dauerte nur wenige Wochen, als er auf einmal neben mir saß.
Er schlich sich von hinten an mich heran und mir entfuhr ein stummer Schrei, als ich ihn bemerkte.
"Nicht so schreckhaft, Kleines." Er grinste. Dann zwinkerte er mir zu.

Ich war verloren.

Montag, 22. Dezember 2008

In Zeiten wie diesen

Einmal winkte er mir zu. Er hatte die ganze Zeit gewusst, dass ich da bin. Ohne zu überlegen drehte ich mich um. Ich winkte nicht.
Später bereute ich das.

Ich weiß nicht warum, aber damals schien es mir falsch zu sein, einfach nur dazustehen und zuzuschauen. Ich wusste nicht was ich ansonsten tun sollte, also beschloss ich gar nichts mehr zu tun.
Nichts außer nachdenken. Ich dachte an Wulfengard, Mutter, Marilla. Daran, dass ich gern ein eigenes Pferd hätte, es aber in Zeiten wie diesen nicht bekommen würde. Und schließlich kehrten meine Gedanken doch immer wieder zu dem Jungen mit den zwei Dolchen zurück.

Ich weiß auch nicht warum.

Montag, 15. Dezember 2008

Fensterfreuden

Ich hätte es besser wissen müssen.
Es geschah bereits einmal. Damals. Es scheint mir eine Ewigkeit vergangen seitdem.
Ich verlor abermals alles.
Es herrschte Krieg.

In einem Anflug von Egozentrik stellte ich mir vor, ich sei Schuld daran, dass die Horde in Lordaeron einfiel.
Ich hatte Schuld, dass der Zweite Krieg ausbrach. Vor meiner Haustür.
Wie hatte ich mich auch heimisch fühlen können?
Natürlich wusste ich gleichzeitig, dass es Unfug und vermessen ist, soetwas zu denken. Ich war viel zu unbedeutend. Ein Kind.

Es geriet alles durcheinander. Diesmal gab es keinen Wulfengard mehr, der uns beschützen konnte. Wir waren auf das Glück angewiesen.
Marilla befragte jeden Abend die Karten, aber nie verriet sie mir was sie sah.
Ich weiß nicht was ich schlimmer gefunden hätte. Traurige Gewissheit oder verzweifelte Hoffnung.

Ich fühlte mich schutzlos und ausgeliefert. Auf das Wohlwollen anderer angewiesen.
Ich hatte nicht mehr das Verlangen mich fortzuschleichen. Ich war wie gelähmt.

Aus meinem Fenster im oberen Stockwerk sah ich oft in unseren Hof. Unser Schmied wurde im Handumdrehen zum Krieger. Er hatte Mühe seinen Sohn zurückzuhalten und nur er und das Licht wissen, was er sagte, damit Deron blieb.

Ich sah Deron oft aus meinem Fenster. Bewaffnet mit zwei Dolchen, die er sich in der Abwesenheit seines Vaters geschmiedet hatte. Oder die er irgendwo gefunden hatte.
Die Dolche fuhren oft in einfache Holzfiguren, die aus irgendwelchen Resten eilig zusammengezimmert wurden.
Er kämpfte nicht schlecht - für einen Schmied.

Samstag, 13. Dezember 2008

Kindheits(t)raum

Es dauerte ungefähr zwei Jahre, bis ich guten Gewissens behaupten konnte, dass ich mich gut in Lordaeron eingelebt hatte. Es verging kein Tag, an dem ich meinen Vater nicht vermisste. Wäre er bei uns, ich hätte mich sofort zu Hause fühlen können.
Was macht schon ein Zuhause aus, wenn nicht das Gefühl von Geborgenheit?
In diesen zwei Jahren liebte ich Marilla. Ich lernte in ihr mehr zu sehen, als nur eine Frau, die dafür zu sorgen hatte, dass mir nichts passierte.
Ich liebte sie.
Und da ich sie liebte, konnte ich auch Lordaeron ertragen. Ich begann mich sicher zu fühlen.
Wir gingen oft zusammen auf den Markt. Sie holte Lebensmittel ein, nach denen meine Mutter sie schickte. Marilla hielt ihren Blick manchmal länger auf die Ware, die sie betrachtete. Äpfel. Mehl. Gewürze. Sie hätte auf einen Blick erfahren können, ob die Ware verdorben war und der Händler falsch. Aber sie tat es nicht. Sie schenkte mir Gelegenheiten, meinem Duft von Freiheit zu folgen.
Sie schenkte mir das Kostbarste, was ich mir zu dieser Zeit vorstellen konnte.
Ich durfte Kind sein.

Montag, 1. Dezember 2008

Duft von Freiheit

Während ich jeden Tag aufs Neue die Türme der Stadt bewunderte, erinnerte ich mich daran, dass auch der Turm in Marillas Karten vorkam, welche sie für mich gelegt hatte.
Waren damit wohl diese Türme gemeint?
Wusste sie, dass ein großes Unheil auf uns zueilte und wir nach Lordaeron gehen würden?
Ich glaubte fest daran.
Marilla nahm mich manchmal mit in die Stadt, wenn sie Besorgungen zu erledigen hatte.
Einmal stahl ich mich davon. Ich geriet von einer Gasse in die nächste und hatte mich schließlich verlaufen.
Ich fühlte mich elend und befreit zugleich. Ich schnupperte zum ersten Mal den Duft von Freiheit. Und er gefiel mir gut. Um Marilla tat es mir leid, wusste ich doch, dass sie den ganzen Ärger bekommen würde, brächte sie mich nicht wieder heim.
Wie das Schicksal es wollte, rannte ich Deron in die Arme. Buchstäblich.
"Hallo Kleines, nicht so hastig." Das waren die ersten Worte, die der Sohn unseres Schmiedes an mich richtete. Er nahm mich mit nach Hause.
Meine Mutter bemerkte gar nicht, dass ich nicht an Marillas Seite war. So blieb der Ärger aus, was uns beide ungemein beruhigte. Den Duft von Freiheit hatte ich jedoch noch immer in der Nase.

Montag, 17. November 2008

Angst und Frieden

Denke ich an Lordaeron, denke ich an Glanz und Schönheit. Mich störte nicht, dass die Stadt aus allen Nähten platzte. Mein Blick war stets auf die Türme gerichtet, die mich in ihren Bann zogen. Oft stellte ich mir vor dort oben gefangen zu sein und gerettet zu werden.
In Wahrheit war ich eine Gefangene meiner Mutter. Und mich vor ihr zu retten sollte sich schwieriger gestalten, als man es in Kinderträumen fantasiert.
Es stank in der Stadt fürchterlich nach allen Gerüchen, die ich bis dahin gerochen hatte. Schweiß, Bier, Wein, Essen, Fäkalien, Müll und Angst.
Aber wenn mein Blick zu den Türmen gerichtet war, roch ich von alledem nichts. Dann sah ich nur Wolken und Himmel. Und Frieden.
Meine Mutter ließ ihre Beziehungen spielen und so gelangten wir ohne viel Wartezeit in ein Haus, das unserem im Rotkammgebirge in nichts nachstand.
Mit uns waren gekommen Marilla, zwei Dienstboten, der Schmied und sein Sohn. Er war etwas älter als ich, so dass ich für ihn uninteressant war.
Aber er für mich umso mehr.
Bis wir das erste mal miteinander redeten, verging allerdings noch viel Zeit.

Samstag, 15. November 2008

Augenblick

Ich bin neun Jahre alt, als wir uns auf den Weg machen in eine unbekannte Zukunft. Wir fahren in unserer Kutsche. Zusammen mit einem riesigen Flüchtlingsstrom treten wir unseren Weg an. Marilla gibt mir viel Kraft in dieser Zeit und ich wüsste nicht, wo ich sein würde, wäre sie nicht gewesen. Meine Mutter redet nicht über meinen Vater. In ihrer Anwesenheit tat das niemand.
Sie war mir fremder als all die anderen Menschen, die mit uns kamen. So war es schon immer gewesen.
Ich denke viel an Wulfengard. Meinen Vater. Mein Held. Er verteidigte uns. Er gab sein Leben.
Marilla hat mir beigebracht an die schöne Zeit mit ihm zu denken und dies auch gern zu tun. Heute denke ich, sie spielte genauso mit ihrem Leben, wie einst mein Vater, hätte meine Mutter gewusst, was sie mir alles beibrachte.
"Erinnere dich stets und versuche nicht zu vergessen."
Ich trauerte einige Wochen um ihn. Still und leise. Dann erreichten wir Lordaeron. Jetzt blieb keine Zeit mehr für Gefühle. Das begriff ich, nachdem ich meiner Mutter in die Augen sah.

Donnerstag, 30. Oktober 2008

Was nicht in den Karten stand

Vermutlich wäre mein Leben ewig so weiter gegangen, wäre ich nicht älter geworden.
Ich war noch recht jung, als das dunkle Portal geöffnet wurde und die Orks für uns immer bedrohlicher wurden. Meine Familie versuchte es vor mir zu verheimlichen, doch ich hatte ein Gespür dafür, dass etwas nicht stimmte.
Viele Leute aus dem Gebirge hielten ihnen stand, doch letztendlich war ihre Macht einfach größer. Meine Kindheit nahm ihr Ende mit der Vernichtung einiger Dörfer.
Mir war bald klar, dass unser Haus mir nicht die Sicherheit geben konnte, welche es mir immer vorgegaukelt hatte.
Wir schlossen uns dem großen Flüchtlingsstorm an, nachdem Sturmwind fiel und zogen mit ihm nach Lordaeron. Alle außer mein Vater. Für seine letzte Reise hatten die Orks bereits gesorgt.

Montag, 27. Oktober 2008

Die Schatzkiste






Das erste mal kam Magie in mein Leben, als Marilla mir aus ihrem wohlgehüteten Schächtelchen die Karten legte. Die Schachtel war ihr größter Schatz und es gab niemanden der das besser verstand als ich. Die Kiste war mit feinem Samt überzogen - weinrot. Und darauf waren winzige kleine bunte Perlen genäht. Für Marilla jedoch war der Inhalt der kleinen Zauberkiste noch kostbarer. Darin ruhten ihre Karten. Mit ihnen konnte sie in die Zukuft blicken und einem eine Menge über sich selbst verraten.
Ich bettelte mit einer so großen Ausdauer, dass sie mir irgendwann nachgab und mir die Karten legte. Ich schätze, sie wusste, dass meine Mutter sie vor die Tür gesetzt hätte, hätte sie gewusst, was Marilla mir für Künste zeigt. Aber sie erfuhr es nie.
Die drei schicksalshaften Karten die sie für mich umdrehte, waren:
Der Magier, der Wagen und der Turm. Ihre genaue Bedeutung habe ich leider im Laufe der Zeit vergessen, aber das war auch nie wichtig. Mir fiel ständig etwas neues ein, was die Karten bedeuten könnten, auch heute noch.

Samstag, 25. Oktober 2008

Der Anfang

Geboren wurde ich im Rotkammgebirge. Im Hause meiner Eltern. Von meiner Mutter. Ich erwähne das, weil es mir scheint, dass es das einzige ist, was sie und mich verbindet. Großegezogen wurde ich von meiner Amme. Ihr war ich näher, als jedem anderen Menschen, der mich seit meiner Geburt begleitete. Ihr Name ist Marilla. Leider weiß ich bis heute nicht, was aus ihr geworden ist. Aber das weiß man von den wenigsten Menschen zu dieser Zeit.
Wir waren eine reiche Familie. Von Wolkenstein. Ich fühlte mich wie eine Prinzessin. Ich wurde auch so behandelt. Mein Vater trug mich auf Händen, wohl sehr zum Leidwesen meiner Amme. Aber sie schaffte es irgendwie, dass ich mir die Traumwelt, welche sie mir geschaffen hatte, zu erhalten. Ich wuchs sehr behütet auf. Ich wuchs sehr einsam auf. Heute denke ich, das eine bedingt das andere. Alles in meinem Leben schien bestimmten Strukturen zu folgen. Ich konnte nichts dagegen unternehmen. Und, was noch viel wichtiger war, ich unternahm auch nichts dagegen. Für Veränderungen erforderte mein Leben eine Menge Magie und Zauberei.